Pietro Archiati (1. Juni 1944 – 26. Februar 2022) wurde in Capriano del Colle (bei Brescia, Italien) geboren. Ab seinem 10. Lebensjahr besuchte er eine Klosterschule in einem kleinen missionarischen Orden. Nach dem Abitur absolvierte er ein Studium der Theologie und Philosophie in Rom und München. 1968-70 war er Volksschullehrer in Laos während des Vietnam-Krieges. 1974-76 war er als Ordenspriester in New York unter anderem in der Marriage-Encounter-Bewegung tätig. Danach lebte er als Einsiedler am Comer See, wo er 1977 das ihm bis dahin völlig unbekannte Werk Rudolf Steiners entdeckte. Dazu sagte er in einem Vortrag (2002): «Innerhalb von Tagen ... wusste ich mit innerster Gewissheit: Das ist dasjenige, was du ein ganzes Leben in Ost und West gesucht hast. Wie ein Orkan hat es auf mich gewirkt.» 1981-85 war er in Südafrika als Dozent in einem Priesterseminar. Die Spannungen mit der Kirche nahmen naturgemäß mit der Zeit zu und hatten letztendlich zur Folge, dass sein Wirken im Rahmen der Kirche nicht mehr möglich war. Seit 1987 war er unabhängig von jeder Institution als Autor und Redner in Deutschland und anderen Ländern tätig. Seine Bücher sind in verschiedenen Sprachen erhältlich. Seit 2004 veröffentlichte er bis zu seinem Tod zusammen mit der Verlegerin Monika Grimm im Verlag Rudolf Steiner Ausgaben Werke und Vorträge Rudolf Steiners, die heute einen besonderen Aktualitätswert haben. Seine Vor- und Nachworte zu den Steiner-Bänden sind der Versuch, eine Brücke zwischen der Anthroposophie und dem heutigen Zeitgeschehen zu schlagen.
Stellungnahmen von Pietro Archiati zum aktuellen Zeitgeschehen
Zur Lage der Anthroposophie: Was ist in der Welt bloß los?„... Und ein Mondknoten danach, im Jahr 2017, wusste beinahe die ganze Welt von einer handgeschriebenen Notiz Rudolf Steiners, in der dieser schreibt, dass sich Ahriman etwa 18jährig der Welt zu erkennen gibt. Die Notiz war schon lange im Internet für alle zu sehen, Hunderttausende hatten sie heruntergeladen, um sich die Wahrnehmung einzuprägen, um über jedes Wort nachzudenken ...“ (aus dem Vorwort von Pietro Archiati zu: Rudolf Steiner, Gibt es eine Geisteswissenschaft?, 2. Aufl., S. 14-15)
Zur weltweiten Flüchtlingskrise: Leseprobe aus dem Vorwort zu: Rudolf Steiner, Esoterisches Christentum, Bd. 2
„... Wird es nicht viele unter ihnen [unter den Flüchtlingen] geben, die sich vor der Geburt zu einem Leben in der Heimatlosigkeit entschieden haben, als karmischen Ausgleich für ein früheres Leben, in dem die geistige Heimat nur vergessen wurde? Ist die Botschaft dieser Menschen, ist ihre Mahnung an uns nicht willkommen, die wir uns durch unsere eigene Geistvergessenheit vielleicht dazu vorbereiten, im nächsten Leben ihr Schicksal nachzuahmen, um zu Suchenden nach dem Geist zu werden? ...“ (aus dem Vorwort zu: Rudolf Steiner, Esoterisches Christentum, Bd. 2, S. 12)
Zu den Mohammed-Karikaturen: Vorwort zu: Rudolf Steiner, Dreigliederung von Kultur, Politik und Wirtschaft
„... Was aber der Menschenwürde Rechnung trägt und was nicht, das können die Menschen nur durch das gesunde Gefühl, durch das menschliche Empfinden im unmittelbaren Umgang miteinander erleben, um es dann in Gesetzen auszudrücken. Was wieder einkehren muss, ist das Bewusstsein für das, was in der Begegnung von Mensch und Mensch erlebt, was da gefühlt und empfunden wird. ... Aber wie ist es, wenn dabei [bei den Mohammed-Karikaturen] das tiefste religiöse Gefühl von Hunderten von Millionen Menschen verletzt wird? Wie ist es, wenn diese Menschen ihre Menschenwürde als eins mit ihren religiösen Werten erleben und sich als Menschen missachtet fühlen, wenn ihre Religion herabgesetzt wird? Hat man das Recht, das Gefühl der Menschenwürde von so vielen Menschen zu übergehen oder gar zu verletzen? ...“ (aus dem Vorwort von Pietro Archiati zu: Rudolf Steiner, Dreigliederung von Kultur, Politik und Wirtschaft, S. 11)
Zur Steiner-Ausgabe des Mormonenprofessors Ch. Clement: Die Mormonen und die Anthroposophie
„... Kraft eines akademischen Machtspruchs stellt der Mormonenprofessor Christian Clement die Anthroposophie als objektiv-wissenschaftliche Erkenntnis der geistigen Welt in Abrede. Er dekretiert, dass es eine Wissenschaft des Geistes nicht geben kann. Das ist eine Tat, deren verderbliche Folgen für die ganze Menschheit gar nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht werden können. Eine solche Tat macht die Überwindung des Materialismus unmöglich, der unendliche Zerstörung und unermessliches Leiden über die Menschen bringt. Und wenn Christian Clement selbst die Natur und die Folgen seiner Tat nicht erkennt, so ist das ein weiterer Beweis dafür, dass es [wie R. Steiner in den hier gedruckten Vorträgen ausführt] nicht-menschliche Geister gibt, die die Aufgabe haben, den Menschen zu verderblichen Taten zu verführen. ...“ (aus dem Vorwort von Pietro Archiati zu: Rudolf Steiner, Gibt es eine Geisteswissenschaft?, 1. Aufl., S. 23)
Zum Freihandelsabkommen Europa-USA: Leseprobe aus dem Vorwort zu: Rudolf Steiner, Esoterisches Christentum, Bd. 3
„... Wer aber meint, dass es keine objektive Wahrheit gibt, der wird nur eine «Moral» haben können, in der sich der Stärkere durchsetzt und der Schwächere sich fügen muss. Selbst gemeinsame Werte wie Demokratie und Freiheit sind in ihrer Abstraktheit kaum etwas wert, wenn alles von ihrer Auslegung und ihrer konkreten Handhabung von Fall zu Fall abhängt. Und wer sich gegen die Handhabung des Mächtigeren wehrt, verstößt gleich gegen die Grundregel jeder vereinbarten Ethik, die «political correctness» oder «gewaltfreie Kommunikation» vorschreibt. Ein Beispiel sind die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA: Was nützen die gemeinsamen ethischen Werte, wenn Europa schon längst von der Weltmacht der großen amerikanischen Global Players, darunter die NSA, ganz abhängig geworden ist? Die Aufforderung der Opposition im Deutschen Bundestag, die Regierung solle den USA gegenüber stärker auftreten, hört sich wie eine Moralpredigt kleinerer Tiere an die Gazelle an, sie solle vor dem Löwen im Kampf ums Dasein mehr Selbstbewusstsein zeigen. ...“ (aus dem Vorwort zu: Rudolf Steiner, Esoterisches Christentum, Bd. 3, S. 12-13)